Innovation wird spontan meist mit Kreativität assoziiert. Was dabei oft übersehen wird: Erfolgreiche Innovation benötigt auch sehr viel Disziplin. Schon der Begriff Innovationsmanagement deutet an, dass es ohne eine gewisse Struktur und Organisation, also Disziplin, offenbar nicht geht.
Kein Innovationsprozess ohne Disziplin
Im Innovationsprozess wird das bei der Ideen- und Konzeptfindung schnell deutlich, etwa bei der Anwendung typischer Kreativitätstechniken und -methoden, wie z.B. TRIZ (systematisches Erfinden), Mindmapping und Design Thinking, oder auch bei innovativen Formaten für Gruppenarbeiten, wie z.B. Barcamp und World Café. Alle diese Techniken und Methoden verbinden Kreativität einerseits mit Disziplin andererseits, wobei die Bedeutung von Kreativität in dieser Phase sicher überwiegt. In den nachfolgenden Phasen Entwicklung, Prototyping und Fertigung / Implementierung kommt es dann zunehmend auf optimale Prozesse und Effizienz an, also letztlich auf Disziplin.
Auch Innovationskultur braucht Disziplin
Die ideale Innovationskultur wird oft mit Experimentierfreue, Fehlertoleranz, Befreiung von starren Regeln und Vorgaben oder Hierarchiefreiheit beschrieben – überwiegend kreativitätsfördernde und zweifellos anerkannte Erfolgsfaktoren für Innovation. Doch um nachhaltig erfolgreich zu sein, müssen auch Innovationskulturen den richtigen Mix aus Kreativität und Disziplin finden. Dabei sind die folgenden Widersprüche auszuhalten und zu überwinden (siehe Quelle):
- Fehlertoleranz - aber keine Toleranz von Inkompetenz:
Fehler, welche aus Inkompetenz entstehen, sollten nicht akzeptiert werden (unproduktive Fehler), sondern nur solche, welche unvermeidbar sind und aus denen gelernt werden kann (produktive Fehler). - Experimentierfreude - aber strenge Disziplin:
Projekte sollten nach klaren Entscheidungskriterien geführt und im Zweifel auch abgebrochen werden. Im Vordergrund steht ebenfalls die Frage, ob und was aus einem Projektfehlschlag gelernt werden kann. - Psychologische Sicherheit - aber schonungslose Offenheit:
Es sollte jederzeit möglich sein, Ideen offen zu kritisieren und dafür kritisiert zu werden, unabhängig von Status und Hierarchieebene. Im Gegenzug sollte daraus niemandem ein Nachteil erwachsen. - Kooperationsgeist - aber hohes Verantwortungsbewusstsein:
Kooperation und Kollaboration sind in Ordnung. Am Ende muss aber jemand eine Entscheidung treffen und persönlich auch die Verantwortung dafür übernehmen. - Flache Hierarchien - aber starke Führung:
Mitarbeiter sollten in der Lage sein, ihre Potenziale abzurufen, eigenverantwortlich zu arbeiten und zu entscheiden. Eine starke Führung muss dafür den Rahmen setzen, also klare Ziele, Strategien und Prozesse vorgeben.
Was sich einfach anhört, ist in der Praxis aufgrund der offensichtlichen Gegensätze zwischen „angenehmen“ und eher „unangenehmen“ kulturellen Faktoren schwer umzusetzen. Benötigt werden daher vor allem Entschiedenheit, Transparenz und große Klarheit hinsichtlich der Erwartungen an Management und Beschäftigte – letztlich also exzellente Kommunikation und Führung.
Quelle: Gary P. Pisano: Innovation erfordert Disziplin. Harvard Business Manager Juni 2019: 16-27.
Auch interessant: Gary P. Pisano: Creative Construction: The DNA of Sustained Innovation (Public Affairs, New York Januar 2019).