Was sind Stresstests?
Die Kapitaldienstfähigkeit (KDF) von KMU wird üblicherweise aus Vergangenheitsdaten (Jahresabschluss mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung), Gegenwartsdaten (BWA, Summen und Salden) und Zukunftsdaten (ein- bis mehrjährige Planungsrechnungen) ermittelt. Im Zuge steigender Anforderungen an die Risikobeurteilung müssen Kreditinstitute prüfen, ob die Kapitaldienstfähigkeit auch unter veränderten, insbesondere ungünstigeren Bedingungen gegeben ist. Die Planungsrechnungen werden dafür Stresstests unterzogen, um die Belastbarkeit und Stabilität der KDF zu prüfen. Instrumente der Wahl sind sogenannte Sensitivitäts- und Szenarioanalysen:
- In Sensitivitätsanalysen werden die relevanten Planungsparameter aus Marktumfeld und Unternehmen variiert und die jeweiligen Auswirkungen auf die KDF geprüft. Auf diese Weise werden die Belastungsgrenzen ermittelt, innerhalb derer die KDF gegeben ist.
- In Szenarioanalysen werden die schlechtesten, wahrscheinlichen und besten Planungsparameter ermittelt, unter denen die KDF gegeben ist (Worst Case, Real Case, Best Case). Dies bietet die Möglichkeit, auch Maßnahmen zum Erreichen des Best Case bzw. zum Vermeiden des Worst Case einzupreisen.
Mit Bestehen des Stresstests ist eine wichtige Hürde für ein positives Krediturteil überwunden.
Wann werden Stresstests durchgeführt?
Diese betreffen vor allem sogenannte risiko-relevante Geschäfte, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass Kreditnehmer die Rückzahlungen nicht leisten können, etwa bei schwacher Bonität, instabiler wirtschaftlicher Lage oder fehlenden Sicherheiten. Wie Kreditinstitute im Einzelnen mit solchen risiko-relevanten Geschäften umgehen, wird hausintern festgelegt und hängt von zahlreichen „harten“ und „weichen“ Risikofaktoren ab:
Im Fokus steht erwartungsgemäß das Kreditvolumen, an dem sich die hausinternen Entscheidungsprozesse maßgeblich ausrichten. Ferner gehören etwa die Größe, die wirtschaftlichen Kennzahlen, das Management und die Branche und des Kreditnehmers zu den Prüfkriterien. Grundsätzlich wird ein angemessener, also risikoproportionaler Aufwand angestrebt.
Nach aktuellem Stand sind Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden und 10 Mio. Euro Jahresumsatz oder 10 Mio. Euro Bilanzsumme (mittleres Unternehmen gemäß EU-Definition) zwingend mit Stresstests zu prüfen. Für kleinere Unternehmen sind diese nicht vorgeschrieben. Alle verbindlichen Regelungen ergeben sich aus den sogenannten Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MARisk) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Was wird getestet?
Grundsätzlich werden markt- und unternehmensbezogene Planungsparameter variiert. Diese werden passgenau auf das Unternehmen und den Kreditantrag zugeschnitten und einzeln oder in Kombination geprüft. Nachstehend eine Auswahl potenzieller Parameter:
Marktfaktoren | Unternehmensfaktoren |
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Im politischen und regulatorischen Umfeld haben in letzter Zeit die sogenannten Nachhaltigkeitskriterien (ESG-Kriterien) an Einfluss gewonnen. Sie können sowohl die Branche als auch das Unternehmen entscheidend beeinflussen, etwa durch das Verbot bestimmter Rohstoffe, politisch gelenkte Energiekosten oder verändertes Verbraucherverhalten. ESG-Kriterien und das ESG-Rating sind insofern integraler oder auch separater Bestandteil von Risikobeurteilungen (siehe Impuls „Nachhaltigkeit als Kriterium für Bonität und Förderfähigkeit" vom 07.04.2025).
Fazit:
Unternehmen sollten möglichst im Vorfeld von Kreditanträgen Stresstests durchführen und selber prüfen, ob sie über eine stabile, nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit verfügen. Hierzu sollten diejenigen kritischen Erfolgsfaktoren variiert werden, die für das Unternehmen am wichtigsten sind, etwa Konjunktur- und Preisentwicklungen, Verfügbarkeit von Neuprodukten oder das Verhalten von Marktbegleitern. Im Idealfall erhält man wichtige Hinweise auf Handlungsbedarf und kann die Planungen rechtzeitig anpassen.